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Klostergärten: Von Artischocke bis Zipperleinskraut

In einem Landstrich, über den der Sturm von Reformation und Bauernkrieg besonders kräftig hinwegfegte, blieben zwar beeindruckende sakrale Gemäuer, aber nicht viele Zeugnisse des Alltags der aufgelösten Orden. Dennoch gedeihen im heutigen Sachsen-Anhalt sehenswerte Klostergärten; einige davon zählen zu den „Gartenträume“-Anlagen des Landes. Eine Stippvisite im Blankenburger Kloster Michaelstein.

An einer Ecke des Kreuzganges von Kloster Michaelstein steht das Portal weit offen. Als werde das steinerne Gewölbe dort durch eine Allee fortgesetzt, zieht es den Blick hinaus auf einen grünen Rasenweg. Den säumen Rosenstöcke und Apfelbäume, Lavendel und buntblühenden Wildblumen. Ganz am Ende dieses Pfades, fast wie der Altar in einer Kirche, wartet eine Bank aus hellem Holz und lädt zur Rast. Von dieser Bank aus lässt sich fast der gesamte Gemüsegarten überblicken: die violett blühende Artischocke, Kornblumen in Blau, Wicken in Zartrosa, Brombeeren in Schwarz… Äpfel und Holunderbeeren reifen. Die Dufthoheit hat heute das aromatische Currykraut. 

Erkundungen mit Bruder Grabolin

Still ist es. Bis eine Schulklasse zwischen die Beete flutet. Die Kinder suchen die Info-Tafeln, auf denen sie Bruder Grabolin, dem Maulwurfs-Maskottchen begegnen. Angeführt wird das neugierige Trüppchen von Sabine Volk, der Referentin Kulturvermittlung und Klostergärten von Michaelstein, dass heutzutage zur Kulturstiftung Sachsen-Anhalt gehört. Auf dem Veranstaltungsplan des Klosters stehen nämlich – und das nicht nur für Kinder – neben viel Musik auch Erkundungen und Workshops im Garten; beispielsweise die GartenAbendFührung, das Gartenseminar, die GartenSonntagsführung oder das Harzer Familienfest mit buntem Markt im August. Als eine der letzten Veranstaltungen dieser Saison öffnet am 9. Oktober 2025, am sogenannten Klugen Donnerstag, die EssBAR des Herbstes.   

Inzwischen haben die Kinder den Kräutergarten bevölkert. Auch hier dürfen sie anfassen, schnuppern und kosten. Mehr noch: Sie waschen sich freiwillig die Hände, denn was ist spannender, als die Blätter des Seifenkrauts grün aufschäumen zu lassen?

Gepflanzte Zeitgeschichte

Dass Gemüse- und Kräutergarten fast wieder wie zu Zeiten der bis 1542 hier lebenden Zisterzienser anmuten, ist das Werk von Sabine Volk. Wie schon ihre Vorgängerin, die Pharmazie-Ingenieurin Hilde Thoms, stöbert sie – immer auf der Suche nach historischen Plänen, Pflanzenlisten und Rezepturen – in Archiven. „Es gibt in den alten Schriften, auch denen über Michaelstein, Informationen zu den Bemühungen der Orden über eigenen Anbau autark zu leben. Einige dieser Dokumente zeigen wir in unserer Ausstellung zu Klostergärten. Doch manchmal brechen die Erzählungen ab oder der Charakter der Anlagen ändert sich mit dem Weggang der Nonnen und Mönche. Insofern muss man immer ganz bewusst entscheiden, welches Jahrhundert wiederbelebt werden soll. Zumeist orientiere ich mich an der Epoche vor der Entdeckung Amerikas; also gibt es hier beispielsweise keine Tomaten oder Kartoffeln, sondern Pastinake, Haferwurzel, Mönchsspinat, Dinkel, Einkorn, Emmer, Buchweizen.“ Allerdings, so bekennt die Expertin, mache sie manchmal Ausnahmen, beispielsweise bei Pflanzen, von denen in den Chroniken zwar erst später die Rede ist, deren Namen aber spannende Geschichten erzählen. Die Schinkenwurzel zum Beispiel, bekannter auch als Nachtkerze, die noch vor der Kartoffel als Sattmacher dienen sollte. Oder das Zipperleinskraut, bekannter als der gefürchtete Giersch. Und weil der Herzog von Braunschweig nach der Auflösung des Ordens einmal Herr über die hiesigen Ländereien war, dürfen auch ein paar an ihn erinnernde Kohlsorten wachsen.

Arbeiten - fast wie einst die Mönche

Der gärtnerische Alltag von Sabine Volk und ihr dreiköpfiges Gartenteam ist ebenfalls fast historisch geprägt. Zwar gibt es metallenes Werkzeug und den neuzeitlichen Sprühschlauch, doch ansonsten wird auf die Segnungen des modernen Gartenbaus verzichtet. Weil keine chemischen Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, kann es schon mal passieren, dass sich eine Sorte gänzlich verabschiedet. Und statt Dünger aus dem Sack kommen die selbst angesetzten Jauchen in den Boden. „Das bringt allerdings auch mit sich“, so die Garten-Chefin, „dass wir den Kampf gegen das Gras inmitten der Nutzpflanzen nicht immer rechtzeitig starten können.“

Um Jahrhunderte zurückzugehen und historisch passende Kräuter, Stauden und Bäume zu besorgen, muss Sabine Volk oft nicht weit reisen. In der Genbank des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben findet sie meistens, was sie sucht: Saatgut oder auch Pflanzen, die so schon in den Klostergärten des Mittelalters genutzt wurden. Natürlich haben viele auch ohne Genbanken die Gegenwart erreicht, zum Beispiel Artischocke, Erdbeerspinat oder Spargelerbse. Aber manches war so gut wie vergessen und kehrte erst durch Forschung und das Wiedererblühen der Klostergärten zurück.

Gärten auch an der „Straße der Romanik“: Drübeck und Jerichow

Ebenfalls im nördlichen Harzvorland gelegen und als „Gartentraum“ geadelt, laden die Klostergärten der ehemaligen Benediktinerinnen und Stiftsdamen nach Drübeck ein. Ein Rosengarten, ein Küchengarten und die Gärten der Stiftsdamen wurden, wurde orientiert am historischen Plan, wieder zum Grünen und Blühen gebracht. Der über tausendjährigen Klosteranlage begegnen Reisende übrigens – wie auch Michaelstein – auf der „Straße der Romanik“.

Wer diese touristische Route durch Sachsen-Anhalt entlangreist, der begegnet im Jerichower Land auch dem Kloster Jerichow. Dessen Klostergarten gedeiht nicht als historische Anlage am ursprünglichen Ort, weshalb er auch nicht unter den „Gartenträumen“ auftaucht. Aber er ist mittelalterlichen Vorbildern nachempfunden. Heilkräuter, Färberpflanzen, Gemüse und Obst, von dem bereits alte Schriften erzählen, wachsen auf Beeten und abseits gelegenen Streuobstwiesen. Und wer das Blühen, Duften und Summen ganz entspannt genießen möchte, der kann im Café des Gartens Platz nehmen.

Gretchenfrage: Wie hast du´s mit Kräutern und Gemüsen?

Bleibt noch, die Gretchenfrage an Sabine Volk zu stellen: Wie hat sie es mit Kräutern und Gemüsen? „Ehe ich in die Apotheke gehe, schaue ich immer zuerst in den Garten. Salbei und Thymian sind meine Begleiter durch die Erkältungszeit. Und ich bin zu einer begeisterten Genießerin von essbaren Blüten geworden.“ 

Autorin: Marlis Heinz, Fotos: Volkmar Heinz

Mehr Informationen:
www.gartentraeume-sachsen-anhalt.de
www.kloster-michaelstein/klostergaerten.de
www.kloster-druebeck.de/klostergaerten.de
www.kloster-jerichow.de/museum/klostergarten.de

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